Der Tod eines uns nahestehenden Menschen greift radikal und zutiefst schmerzlich in unser Leben ein. Schlagartig ist nichts mehr so, wie es vorher war – und man ahnt, dass es so auch nie wieder sein wird. Oft weiß man dann nicht, wie es weitergehen soll; manche wünschen sich in der anfänglichen Verzweiflung gar, sie selbst könnten an der Stelle des oder der Verstorbenen sein.
So von Grund auf erschüttert, geraten nicht nur Lebensentwürfe aus den Fugen, auch der Bezug zu den Menschen, die einen umgeben und die Kommunikation, das einander verstehen und sich mitteilen können, verändern sich grundlegend. Das löst Befremden und Verunsicherung auf beiden Seiten aus und trägt häufig zu ausweichendem Verhalten und Reduktion tatsächlicher Begegnung bei. In Zeiten, in denen man besonders viel Verständnis, Zuspruch, Trost und sich so angenommen fühlen braucht, geschieht oft das Gegenteil. Freunde, Angehörige, Nachbarn ziehen sich eher zurück oder bleiben bei Begegnungen an der Oberfläche. In solchen Phasen, in denen meist viele, oft widersprüchliche Impulse und Bedürfnisse gespürt werden, wird obendrein häufig schon bald von außen die Erwartung herangetragen, wieder ‚normal’ zu sein und wie gewohnt zu funktionieren. Solange jedoch Gefühlschaos und eine eingeschränkte Fähigkeit sich selbst zu stabilisieren in einem herrschen, führt das in aller Regel zu noch mehr Verunsicherung und Rückzug.
Auch andere Verluste können ähnlich schwerwiegende Folgen haben: Trennung in einer Beziehung, Tod oder Verlust eines geliebten Haustieres, das vielleicht ein wesentlicher Bezugspunkt war und Zuwendung und Halt gegeben hatte, der Verlust des Arbeitsplatzes, von Gesundheit, der Heimat oder anderer wichtiger Lebensbezüge, verändern persönliche wie gesellschaftliche Identität. Wir fühlen uns selbst verändert, sind nicht mehr die, die wir zuvor waren.
Obwohl Trauer vielerlei seelische und körperliche Symptome hervorrufen kann, ist sie dennoch keine Krankheit, sondern ein seelischer Ausnahmezustand und eine natürliche Reaktion auf tiefgreifende Veränderungen des Lebens. Trauer will deshalb gesehen, ernst genommen und gelebt werden. Sie verlangt nach Verständnis und Resonanz.
Achtsames, behutsames und vorbehaltloses Eingehen auf Gefühle und Gedanken, die sich in der Trauer zeigen, birgt die Chance, Schmerz allmählich zu überwinden, die Verlusterfahrung ins Leben zu integrieren, Ressourcen zu aktivieren und schließlich nach und nach in neuen Lebensmut und Lebensenergie umzuwandeln, wieder Ziele zu entwickeln, auf die hinzuleben sich lohnt. Trauer benötigt Zeit, verständnisvolle Anteilnahme, aufmerksames Zuhören, geduldiges präsent sein, Stimmungsschwankungen miteinander aushalten, Trost und – sehr wesentlich – die Erfahrung eines ‚Ich-bin-da’.
Trauerarbeit bedeutet nach meinem Verständnis, all dem zu entsprechen. Sie kann als Einzelbegleitung oder in moderierten Gesprächsgruppen geschehen. Auch bei begleiteten gemeinschaftlichen Unternehmungen, wie beispielsweise Pilgerwanderungen oder Reisen für Trauernde, können auf sanfte Weise neue Bezüge zum Leben wachsen.
Ein wesentlicher Teil der Trauerarbeit ist schließlich, jenseits der akuten Phase des Trauerns zu lernen, sich wieder neu im Leben zu organisieren und aufzustellen. Die Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer führt zu einem bewussteren, achtsameren Umgang mit Leben.